Kurzer Abriss zur Baugeschichte der Wasserburg Niederroßla - Wasserburg Niederroßla

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Von der Wasserburg zum Gemeindezentrum


"Das Schloß ist in einem angenehmen Style ... durch den damaligen Herzog Ernst August, der hier so gern und so freundlich weilte, erbaut worden; es stehet noch in jugendlicher Frische und Schönheit (...)"
Schumann, A. 1820

Postkarte, ca. 1910

Die eingangs zitierte "jugendliche Frische und Schönheit"  des Niederroßlaer Schlosses beschreibt eine Idylle, die der bürgerlichen Beschaulichkeit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entsprach. Man sah die kleine Schlossanlage mit ihrem 57m (*) hoch aufragenden Turm als Überbleibsel eines romantischen Mittelalters, auf dessen Spuren sich gut wandeln ließ. Mit dieser Wertschätzung wusste sich der gebildete Bürger in der Tradition der Fürsten der Weimarer Residenz, die Niederroßla als Aufenthaltsort schätzten. Herzog Ernst August ließ ab 1738/39 den Burgcharakter im barocken Stil auf die zeitgemäßen Erfordernisse eines Verwaltungs-, Wirtschafts- und Wohnhofes abstimmen.
Für die Entstehung der Anlage und deren Ausformung im 11./12. Jahrhundert spielte die Ilm eine entscheidente Rolle. Im Westen und Norden bot sie eine natürliche Begrenzung. Gleichzeitig leitete man ihr Wasser in den 20-30m breiten Burggraben ein, der die gesamte Anlage umgab. Zwischen den vollständig ausgemauerten Graben und der Kernburg lag ein vier bis sechs Meter breiter Landstreifen. Die Grabentiefe betrug etwa 5m. Der östliche Grabenabschnitt wurde zuerst verfüllt. Auf der topografischen Karte von 1854 ist der Burggraben noch komplett zu sehen.

Grundrisss der mittelalterlichen Burganlage

Der erhaltenen Kernburg mit dem quadratischen Turm stand die südliche Vorburg gegenüber. Deren Südost- und Südwestbegrenzung bildeten zwei runde Türme. Damit bestanden zwei annähernd fünfeckige Gebäudekomplexe: Der nördliche Bau war die enge, geschlossene Kernburg, der südliche ein nach Westen geöffneter Hof, vor dem sich an dieser Seite eine gefällige Parkanlage des 18. Jahrhunderts erstreckte. Die dem Dorf zugewandte geschlossene Front der Anlage zeigte vor 1947 neben dem dominanten Turm einen lebhaften Wechsel unterschiedlicher Gebäude, deren einziger Zugang durch das Torhaus führte. Es ist kaum verwunderlich, das sich ältere Niederroßlaer gern daran erinnern, wie sie in ihrer Jugend Besuche und Erkundungsgänge in diesem geheimnisvollen und märchenhaft anmutenden Schloss unternahmen.

Das Torgebäude, ca. 1935
Rund um die Wasserburg zu Beginn des Dreißigjahrigen Krieges (1618-1648) von Oberlehrer Arno Müller, Niederroßla, ca. 1935

1947 erfolgte der Abriss des südlichen Gebäudekomplexes und des Torhauses, in dem die Pächterwohnung lag.

Amtsrechnungen mit Inventarverzeichnissen des Jahres 1624 vermitteln ungefähre Eindrücke von der damaligen Anordnung der Räume und ihrer Ausstattung. Für ein Amt mit Vorwerk wirkt die Einrichtung äußerst bescheiden, wenn auch zu berücksichtigen ist, das die 11 Jahre zuvor über den Ort hereingebrochenen Wassermassen der "Thüringer Sinnflut" den Gebäuden und der Wirtschaftskraft des Ortes einen schweren Schlag versetzt hatten.
Auch mehr als 10 Jahre danach waren die Schäden noch allgegenwärtig spürbar. Von den 33 aufgezählten kleinen Fenstern galten 19 "wandelbar" oder "böse und ohne Glas".
Der Zugang zum Schloss lag auf der Ostseite, wo eine Zugbrücke über den Wassergraben führte. Im Torhaus selbst saß der Torwächter, darüber war die Amtsstube eingerichtet und vor der Brücke sicherten mehrere Kettenhunde den Eingang. In der Bezeichnung "das vordere Schloss am Graben" vermutete Arno Müller einen älteren, östlichen Gebäudekomplex. Dort befand sich der Pferdestall, in dem 1624 vier Pferde standen. Weiter waren 12 Räume aufgeführt, davon vier mit Kachelöfen oder eisernen Öfen beheizbar. Neben der Amtsstube lag des "Voigts Kammer", dazu des Amtsschössers Wohnstube und seine Küche. Die alte Kernburg diente als Getreidespeicher. Das Inventar der Schlossküche bestand noch aus einem alten Bratspieß, einem eisernen Rost und einem Waschkessel, einem großen ehernen Topf und 12 Wassereimern. Dort wütete die Flut von 1613 besonders stark, denn das Wasser hatte "in die Küche ein groß Loch gleich einem großen Thor gemacht und daraus 3 Schränke, einen eingemauerten Kessel, Blasen samt allem Zinnwerk und Hausrath weggeführet".
In diesem Schlossteil befand sich außerdem die "Marderkammer", wo die Scharfrichter den Delinquenten die Marterwerkzeuge zeigten oder zur Anwendung brachten.
Im "hinteren Schloss" lag das Gefängnis, seinerzeit "Brotkammer" genannt und sechs Räume, von denen allein die "Burgstube" beheizbar war. Ferner gab es eine Badestube mit großem Ofen und Kessel. Zur Unterbringung der Wagen und des Geschirrs diente das "Schirrhaus" und im Kelterhaus stand die Weinpresse.
Ein zentrales Problem stellte die Wasserversorgung von Mensch und Vieh dar. Zusätzlich zu dem zweifellos vorhandenen Brunnen führte man Wasser über Röhrenleitungen von der Bornleite zum Schloss. Das wasser war gut, die Holzleitungen hingegen störanfällig. Sonne und Frost bewirkten vor allem in dem oberirdisch verlaufenden Bereich der Leitung an der Schlossbrücke häufige Schäden.

Blick in den hinteren Hof auf den Torbogen, rechts Tür zu heutiger Turnhalle / Zeichnung 1966 von unbekannten Künstler
Eine Ansicht aus dem Schlossgarten auf die Westseite, ca. 1935

Betrachtet man die Gesamtsituation dieser Zeit, waren Schloss und Vorwerk wenig angetan, hohe Gäste zu beherbergen. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges dürfte der Zustand wenig Besserung erfahren haben; der folgende große Dorfbrand verschlechterte die Lage weiter. Eine spürbare Änderung setzte erst im frühen 18. Jahrhundert ein. 1721 wurde die Kirche eingeweiht, 1738/39 der Schlossumbau begonnen. Fortan hfanden sich sowohl die Weimarer Herzöge als auch Persönlichkeitet des Hofes häufig in Niederroßla ein, was für die Dorfentwicklung nicht ohne Folgen blieb.

Das Staatsgut auf einer Postkarte aus dem Jahr 1937
Übersichtskarte des Staatsgutes Niederrroßla, ca. 1935
Zustand ca. 1950 nach Abriss des Schlosses

Während das Schloss als Verwaltungssitz allmählich an Bedeutung verlor, florierte die Landwirtschaft des Kammergutes. Östlich des Schlosses wurden die Wirtschaftgebäude immer größer und überflügelten nach ihrer Größe das alte Schloss. Die Bewirtschaftung durch Pächter fand kontinuierliche Fortsetzung und endete erst mit dem Jahr 1945. Mit der weiteren Entwicklung im Osten Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es nicht nur zur Flächenaufteilung von Ritter- und Staatsgütern an Neubauern und Landlose. In Ermangelung von Baumaterial für die Neubauernhäuser wurde 1947 angewiesen, die Gebäude großer Landgüter für diese Zwecke zu nutzen und abzureißen. Vielerorts verschwanden daraufhin Teile landwirtschaftlicher Güter oder komplette Anlagen in kurzer Zeit aus dem Dorfbild, ohne das dem grundsätzlichen Baustoffmangel entscheidend abgeholfen worden wäre.

Die umgestaltete Kernburg auf einer Postkarte aus dem Jahr 1974

1953 kam es zu einer ersten denkmalpflegerischen Bauaufnahme der Überreste. Dabei fand man eine weitgehend leer stehende ungenutzte Anlage vor. Der südliche Komplex war verschwunden, von der Kernburg war der Südflügel bereits auf das Erdgeschoss reduziert. Im Westteil und im gesamten Dachbereich bot sich ein desolates Bild. Erste Nutzungsvorschläge unterbreitete 1966 das Institut für Denkmalpflege nach Abstimmung mit den Wünschen der Gemeinde. 1975 fanden die Bau und Sicherungsarbeiten ihren vorläufigen Abschluss. An denkmalpflegerisch wertvoller Substanz wurden weite Teile der fassade erhalten; im Inneren war die Restaurierung der profilierten Holzbalkendecke des 16. Jahrhunderts im Nordflügel vordringliches Ziel. 1995 erfolgte schließlich die bauliche Sicherung des Ostflügels.
Der Abriss von Teilen der Schlossanlage bedeutet einen unwiederbringlichen Verlust historischer Bausubstanz. Doch in der wechselvollen Geschichte der Anlage und in dem verbliebenen Bestand schlummern reiche touristische Potenziale. Die zahlreichen Wasserwanderer und die Nutzer des Ilmradwanderwegs sind für neue Angebote rund um die alten Gemäuer mit Sicherheit zu gewinnen.

(wird fortgesetzt)
Mit freundlicher Genehmigung vom Autor Hans-Joachim Petzold
übernommen aus seinem Buch "Niederroßla Kulturlandschaft und Geschichte" / Gemeinde Niederroßla 2007

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